Letra de Der Maide Muoter
1. Kinder ir habt einen winter an der handt daß die kleinen vogelein gesanges muoß verdrießen darumb faltet euer feyertäglich gewandt legt es schoen in einen schrein und haißet euchs versließen und behalt es schoen unz in den mayen niemant kan die pluomen für gehayen jârlang trauren alle stolze layen Kinder, ein solcher Winter steht vor der Tür, daß die kleinen Vöglein keine Lust auf Gesang haben. Darum faltet euer Feiertagsgewand zusammen, legt es ordentlich in den Schrank und verschließt diesen gut und hebt es gut auf bis zum nächsten Mai. Niemand kann die Blumen länger pflegen, zu dieser Jahreszeit trauren alle hochgemuten Laien. 2. Wer sich auß der mâßen nach den pluomen senet sprach ein wolgethane maidt der hat nicht sinne wes die man die frauen lang zeit hand gewenet da ist mir wunder von gesait das da heißet minne des will ich mich heuer unterwinden man sol mich in hôhen freuden finden dasselb rat ich auch allen stolzen kinden ?Wer sich übertrieben nach den Blumen sehnt", sprach ein hübsches Mädchen, ?der hat seine Sinne nicht beisammen. Was Männer den Frauen seit langer Zeit angewöhnt haben, dieses Wunder wurde mir erzählt, das nennt man die Liebe. Dieser will ich mich heuer unterziehen, man soll mich in 'hohen' Freuden vorfinden. Das selbe rate ich allen hochgemuten Mädchen." 3. Dieselbig rede ward der maide muoter laid sie sprach tochter alle man soltu vermeiden was ob dir ein tummer von der minne sait der nicht wol zuo der minne kan der will dich verschneiden wie er deine freund an dir beswære zuo allen zeiten ist er dir gevære müeterlein ja muet mich euer mære Dieses Gerede gefiel des Mädchens Mutter nicht Sie sprach: ? Tochter, alle Männer sollst du dir fern halten! Was, wenn dir ein Dummkopf die Liebe erklärt, der selbst keine Ahnung von der Liebe hat? Der will dich reinlegen! Genauso wird er deinen Verwandten Sorgen bringen, weil er ständig dir hinterlistig nachstellt." ?Mütterlein, mich ärgern deine Schauermärchen!" 4. Tochter ergêt es dir als es mir ergieng dô ich was in deiner hait und ein lutzel thummer ein vil stolzer ritter kund mein gefieng der pracht mich in arbait und in senden kummer sô zuhant muost mir dâ freud entweichen alsô ergêt es dir und Amelreichen muoter auf die mann will ich mich streichen ?Tochter, euch wird es so wie mir ergehen, als ich in deinem Alter war und um einiges noch dümmer. Ein prächtiger Ritter hat mich 'gefesselt', der brachte mir Not und Liebeskummer. So mußte ich meine Freude verlieren, gesauso geht es dir und Amelreich." ?Mutter, nach Männer möchte ich mich umsehen. 5. Der ritter und der knaben der hân ich wol die wal der will ich mir einen welen der mir nicht enpfliehe meine sinn die râtend mir gein Ruobental man soll mir den schaden zelen ob ich misseziehe Nûn far hin gein Ruobental vil schnelle dâ magstu des hungers wol geswellen ja, daß tausent teufel auß dir pellen Ritter und Junker hab ich zur Auswahl. daraus wähle ich mir einen, der mir nicht entflieht. Meine Sinne weisen mich ins Reuental. Man soll mir nur den Schaden beweisen, ob ich dabei schlecht entscheide." ?Dann verschwinde sofort ins Reuental, da wirst du so an Hunger verschmachten, ja, daß tausend Teufel aus dir bellen." 6.Solt ich darumb lâßen meinen hôhen muot daß ir mir von den mannen sagt sô vil poeser mære sô wurd ich an keinen freuden nimmer fruot wolt ich dorumb sein verzagt wie thumme ich denn wære davon lâßt ir fürpaß euer schelten ich will sein an freuden nicht engelten muoter der euern lêre der volg ich selten ?Sollte ich deshalb auf meinen Spaß verzichten, weil ihr mir von den Männern so schlimme Schauermärchen erzählt, so würde ich niemals mehr Freude erleben. Erschreckte mich schon das, wäre ich ziemlich dumm. Jetzt laßt doch euer Schimpfen sein! Ich werde mir die Lebensfreude nicht nehmen, Mutter, eurer Lehre folge ich niemals." T&M: Neidhart von "Reuental" (1. Hälfte 13. Jh.) Handschrift ca. 1460, Berlin Der wahrscheinlich im Salzburgischen oder angrenzenden Bayrischen Geborene dichtete etwa zwischen 1210 und 1240. Am Wiener Hof des letzten Babenbergers, Herzog Friedrich II. von Österreich, fand er 1230/31 seine endgültige Wirkungsstätte. Neidharts enorme Popularität als "Liedermacher" wird durch die 55 Melodien und ca. 1500 Strophen, die unter seinem Namen überliefert wurden, bewiesen. Aber nicht alles stammte wirklich von ihm. Es war geradezu eine Mode - auch noch mehr als 100 Jahre nach seinem Tod - Lieder unter seinem Namen zu veröffentlichen und ihnen damit ein Qualtitätssiegel zu verleihen. Auch beim vorliegenden Lied meldeten einige Wissenschaftler Zweifel an Neidharts Urheberschaft an.