Konstantin Wecker

Praeposthum
Als er siebzig war und keinesfalls gebrechlich, drängte es den Alten, was zu tun. Und er plünderte sein Konto und verschenkte alles was er hatte - präposthum. Schrieb noch einen Brief an die Verwandten: "Pech gehabt, ihr Lieben. So kann´s gehn. Ich bevorzuge die Unbekannten. Ihr habt mich zu lange übersehn." Einen guten Teil seines Vermögens trug er gut gelaunt in ein Bordell, machte einen Schnappschuss für die Kinder und vergnügte sich mit Isabel. Tags darauf saß schon die ganze Sippschaft über ihn streng zu Gericht, klüngelte mit Ärzten, Advokaten, denn so geht das heute nun mal nicht. Zwar: er hat sein Leben lang geschuftet. Doch was soll er nun mit all dem Geld für sich allein. Und die Kinder sprachen rasch das Urteil: "Morgen muss der Mann entmündigt sein." Geld zu haben ist das Eine, Letras de cancioneses verschenken ist nicht produktiv. Und wenn Greise sich auch noch vergnügen, hängt der Segen hierzulande schief. Und es kam dann wie es kommen musste. Etwas später holten sie ihn ab. Professoren schrieben schnell Berichte, denn die Zeit war wirklich knapp. Und sie wollten ihn noch daran hindern, vor dem Rathaus Euros zu verteil´n, als er rief: "Das sind die Irren! Ich bezahle! Fangt sie ein!" Und auf einmal ging ein tiefer Ruck durch die Menschen, durch die ganze Stadt. Und man öffnete die Herzen und die Börsen und verschenkte alles was man hat. Die ihn fassen sollten, Polizisten, rissen sich die Uniform vom Leib, riefen: "Nieder mit den Mammonisten!" und umarmten Mann und Weib. Ach war das ein Herzen und ein Geben! Selbst die Penner wurden reich beschenkt. Und man wünschte sich, das weit´re Leben würde nie mehr in der Gier ertränkt. Sicher ist: das Ende ist erfunden, und man hat die Kohle eingesackt. Höchstwahrscheinlich ist der Mann verschwunden, ruhiggestellt in einem Krankentrakt. Die Verwandten kaufen sich jetzt Handys. Und das kurbelt auch die Wirtschaft an. Und man reist gemeinsam nach Mallorca und versäuft ganz schnell den alten Mann. From Letras Mania